Referat der Habilitation:
Der letzte glazial-interglaziale Zyklus im Altaigebirge
(Referat meiner Habilitation von 1993)
Von Wladimir Butwilowski
Durch die stratigraphischen Untersuchungen und Anwendung der Radiokarbonmethode kann es als bewiesen gelten, dass die Spuren der Vergletscherung im Georelief und in den Sedimenten des Altaigebirges praktisch überall dem letzten glazial-interglazialen Zyklus angehören, d. h. dem Spätpleistozän und Holozän (BUTWILOWSKI, 1993). In den meisten Aufschlüssen wurden die interglazialen Sedimente, die sich zwischen verschiedenen glazialen Komplexen befinden sollten, nicht aufgefunden. Der Komplex der glazialen Sedimente ist im Altai einheitlich, obwohl er sehr kompliziert gebaut ist, und äußert die Änderungen von Prozessen und Bedingungen der Sedimentation in der Periode des Anfangs, des Maximums und der Degradierungsphase letzter Vergletscherung. Das absolute Alter der untenliegenden Sedimente ist 42 – 25 tausend Jahre, die glazialen und fluvioglazialen Sedimente selbst haben Radiokarbondaten zwischen 22 – 13 tausend Jahren, das Alter der Sedimente, die der Vergletscherung geologisch synchron sind, ist 23 – 12 tausend Jahre, und für die darüberliegenden Schichten ist es 11 – 10 tausend Jahre und jünger (Abb. 1). Diese Altersbestimmungen lassen die letzte Vergletscherung im Altai mit der Vergletscherung vom Spätwurm in den Alpen synchronisieren.
So ein Verhältnis von glazialen und vorglazialen Sedimenten ist fast in der gesamten Region vorhanden. Ihre Verbreitungsfläche schließt auch die Bereiche ein, die früher von den meisten Forschern zu den Bereichen der viel älteren Vergletscherungen gezählt wurden. Meine Schlussfolgerung vermindert nicht die Möglichkeit der Entwicklung auch der älteren Vergletscherungen im Altaigebirge. Das ist in einigen Aufschlüssen der Sedimente (Bele, Tschagan) durch die stratigraphischen Sedimentverhältnisse auch sicher bewiesen sowie durch das Vorhandensein von überlagerten erratischen Steinen in fluvialen Sedimenten der älteren interglazialen Zeit, die unter den jüngeren glazialen Sedimenten liegen. Die Schlussfolgerung über das Alter und die Verbreitungsbereiche der letzten Vergletscherung ist ein Ausgangspunkt für die Rekonstruktion der Bedingungen und des Verlaufs der letzteren Eiszeit.
Anfangsetappe der Vergletscherung und ihr Maximum im Altaigebirge
Die Sedimente der Anfangsetappe der letzten Vergletscherung liegen in den damals vergletscherten Gebieten in limno-glazialen und fluvioglazialen Fazien vor. Diese Sedimente lagern unter den Grundmoränen. Der Aufbau dieser Sedimente lässt verschiedene Rekonstruktionen der Entwicklung der Stauseen und des Einflusses der zunehmenden Gletscher auf diese Entwicklung darstellen und weist auf ein relativ langsames Wachstum (Eintritt) der Gletscher und auf ihre wesentliche Ablation hin. Nach vielen geologischen Angaben geschah zu dieser Zeit das Absinken der Temperatur, die Zunahme der relativen Feuchtigkeit des Klimas, die Vergrößerung der Vergletscherung, die Veränderung der Landschaften (Vereinfachung ihrer Struktur), die Verstärkung der hydrothermalen Tätigkeit und tektonischen Aktivitäten sowie der Spannung des geomagnetischen Feldes, der gravitativen und erosiven Prozesse. Aber diese Änderungen waren noch fließend verlaufen und hatten nicht zur blitzschnellen katastrophalen Veränderung der Natur geführt. Das Natursystem hat diese Veränderungen noch vertragen und sich angepasst. Es bildeten sich Landschaften, die ähnlich den heutigen Landschaften waren (Tundra, Wälder, Wiesen usw.). Und nur die Bedeckung der Oberfläche mit dem Eis veränderte die Landschaftsstruktur prinzipiell.
Um die Rekonstruktion der paläogeographischen Bedingungen und Paläolandschaften zur Zeit des Maximums der Vergletscherung richtig zu begründen, muss man die Information über die Spuren und Merkmale der Vergletscherungen, über die Bedingungen der Bildung und Erhaltung dieser Merkmale bewerten. Die wichtigsten und sichersten Merkmale der alten Vergletscherungen sind vor allem das Disjunktivrelief vom alpinischen Typ (Trogtäler, Kare), die mit ihm verbundenen Endmoränenkomplexe, erratische Blöcke auf den Hängen und Gipfeln, die Gletscherschrammen auf den Felsen der Hänge, Talwege und Gipfel. Aus der Kartierung der erratischen Blöcke und ihrer Dispersionsflächen, der Orientierung der Gletscherschrammen sowie aus der Moränenaufnahme lässt sich eine mächtige Vergletscherung mit differenzierter Morphologie und Dynamik sicher rekonstruieren (Abb. 2.). Auf den Hochgebirgsplateaus lagen asymmetrische Eisdecken mit radialem Abfluss des Eises. In den Regionen, die die Hochgebirgsrücken mit den großen intramontanen Becken verbinden, lässt sich aus geologischen Befunden eine netzartige Berg-Tal-Vergletscherung und das Vorhandensein großer Eisstauseen mit passiven Eiskappen rekonstruieren. Im Mittelgebirge hat sich eine embryonale Vergletscherung entwickelt.
Es ist wichtig, die Senkung der Schneegrenze zur Eiszeit einzuschätzen. Üblicherweise wird angenommen, dass man die Lage der Schneegrenze durch die Höhenlage von Karen bestimmen kann. Aber es ist auch bekannt (IWANOWSKI, 1981), dass die Entwicklung der Kare aus nivalen Nischen gewöhnlich hunderttausende Jahre dauert. Deshalb ist es richtiger zu vermuten, dass das Niveau von gut ausgeprägten Karen nicht der Senkung der Schneegrenze zur Zeit des Maximums der Vergletscherung entspricht, sondern der stabilen unveränderten Lage der Schneegrenze in den interglazialen Zeiten, deren klimatischen Bedingungen den Bedingungen von glazialen Stadialen des Spätpleistozäns und Spätholozäns entsprechen. Diese Periode hat im Pleistozän Dutzende tausend Jahre gedauert und sich vielmals wiederholt. Für die Zeit des Maximums der Vergletscherung [diese Zeit war sehr kurz (1-3 tausend Jahre)] fixieren die Niveaus nivaler Nischen die Senkung der Schneegrenze. Diese Senkung betrug in der letzten Eiszeit mehr als 1000-1200 m.
In Gebieten, wo die Hochgebirgsrücken mit den großen intramontanen Becken verbunden sind, lässt sich also aus geologischen Befunden eine netzartige Berg-Tal-Vereisung und die Existenz der großen Gletscherstauseen mit passiven Eiskappen rekonstruieren. Hier standen die Gletscher und Seen in komplizierten Wechselverhältnissen. Die während der Anfangsetappe der Vergletscherung in den intramontanen Becken entstehenden Stauseen kontrollierten und beschränkten die umliegenden Gletscher. Aber später, zur Zeit des maximalen Absinkens der Temperatur sind diese Seen zugefroren und ließen die Gletscher voranschreiten und ihre Ausdehnung vergrößern. Danach wurden die Stauseen oft zu großen, unter dem Eis liegenden Wasserlinsen oder wurden teilweise oder vollständig von Gletschern verdrängt. Deshalb ist es richtig, die Eisansammlungen in intramontanen Becken gleichzeitig als Eisansammlungen und als Wasseransammlungen zu betrachten.
Die paläoklimatische Situation zur Zeit der Vergletscherungszunahme kann man nur durch die geologischen Daten aus den zu Gletschern angrenzenden Bereichen rekonstruieren. Paläofloristische Materialien weisen auf die Entwicklung der Tundra-Wiesen und Waldtundra sowie auf kaltes und feuchtes Klima hin, das später, zur Zeit des Maximums, trockener und sehr kontinental wurde und dem eine biogene Landschaft wie die Tundra-Steppe entsprach. Geologische, lithologische und geochemische Daten bezeugen, dass im Laufe der Vergletscherung die differenzierten tektonischen Bewegungen fortgesetzt wurden. Auch der Vulkanismus, die Spannung des geomagnetischen Feldes, der Abfluss der Flüsse waren damals viel größer als heute. Die kalten und feuchten Bedingungen herrschten relativ langfristig und waren zur Zeit des Maximums noch kälter, aber trockener (die Permafrost-Kryoturbationen der Sedimente hatten begonnen) geworden.
Nach meinen Zusammenstellungen kann man das Eisvolumen der Baschkaus-Tschulischman-Eisdecke und Dsazator-Eisdecke auf etwa 30000 – 40000 km³ einschätzen. Etwa 5000 – 8000 km³ betrug das Eisvolumen der Berg-Tal-Vereisung, und das Volumen des Wassers von Eisstauseen konnte bis zu 6000 – 8000 km³ erreichen, d.h. insgesamt betrug die letztere Vergletscherung im Altaigebirge zur Zeit ihres Maximums etwa 50000 – 55000 km³ Eis und Seegewässer.Das ist zehnmal mehr, als man früher angenommen hat. Die Entstehung dieser mächtigen Vergletscherung in einer kurzen Zeitspanne (etwa 5 – 8 tausend Jahre) erfordert ungewöhnliche paläogeographische Bedingungen (vor allem kühles Klima und reichliche Schneefälle). Zur Zeit der Zunahme der Vergletscherung wurden die quantitativen Veränderungen des Klimas und der Umwelt fortgesetzt, die nicht dem heutigen Zustand der Natur entsprechen (das Absinken der Temperatur, reichliche Schneefälle, Zunahme der Gletscher, Stauseen usw.). Das Natursystem vollzog diese einseitige Entwicklung, obwohl seine Rückkopplung bis zum Grenzwert gespannt war. Das große Potential dieser Rückkopplung wurde nur durch eine starke Einwirkung von äußeren treibenden Faktoren gebremst, die vor etwa 20 – 18 tausend Jahren ein Maximum erreicht hatten.
Degradationsphase (Schmelzen) der Vergletscherung
In dieser Phase begann drastisch eine starke Ablation der Gletscher. Auf den Beginn der Degradation der Vergletscherung in Bereichen von Eisdecken weist der Umbau der Eisbewegung hin, deren Spuren man im Gelände sehr deutlich ermitteln kann. Die Eismächtigkeit verringerte sich und die Eisbewegung begann sich der Orientierung der Täler und Rücken des Mesoreliefs anzupassen. Aber obwohl die paläogeographische Situation in dieser Zeit noch glazial blieb, hat zweifellos eine sprunghaft starke Umweltveränderung stattgefunden. Ansonsten hätte sich die Vergletscherung nicht so stark verändert, weil sie aus eigener Kraft die Fähigkeit zur Selbsterhaltung und Selbstentwicklung bezieht (TRONOW, 1972). Die Veränderungen der Klimabedingungen des Maximums der Vergletscherung hin zu heutigen Umweltbedingungen konnten z. B. damals existierende Situation nicht so schnell und drastisch verändern. Die Berechnungen von V.G. CHODAKOW (1978) haben gezeigt, dass die Ablation der Eisdecke Nordeuropas unter ähnlichen Bedingungen wie heute in nicht weniger als 50000 – 60000 Jahren abgelaufen wäre. Jedoch hat sie weniger als 3000-4000 Jahre benötigt. Nach meinen Angaben ist die Ablation im Altai in ihren Hauptzügen in weniger als 1000 – 2000 Jahren abgelaufen und hat überall und unabhängig von der Höhenlage stattgefunden, so dass sie als Folge einer extremen, blitzartigen Veränderung hin zu einer drastischen Erwärmung gedeutet werden muss (BUTWILOWSKI, 1989, 1991).
Auf mehr als 40% der Vereisungsfläche des Altaigebirges hat das „Absterben“ der Gletscher und die Entstehung der Oser und Kamen sowie der Stauseen und ihrer Abflusskanäle stattgefunden. Dabei entstanden die Stauseen zuerst im den oberen Hochgebirgsbereichen, die am frühsten vom Eis befreit waren, auf denen auch die Lößanhäufung begann. In den tiefen Trogtälern wirkten die Restgletscher, die viele Endmoränen in Abständen von 200 – 700 m akkumulierten. Der geologische Aufbau, die geochemische Zusammensetzung dieser Moränen und ihre lithologischen Eigenschaften zeigen die Entwicklung der Akkumulationsprozesse unter den Bedingungen großen Schmelzwasserabflusses und unter periodisch sehr warmen und trockenen Umweltbedingungen. Die Dauer der Hauptphase der Vereisungsdegradierung wird von mir durch die C14-Daten auf weniger als 2 – 2,5 tausend Jahre geschätzt sowie durch geologische Daten auf 0,5 – 1,0 tausend Jahre. Das bestätigt eine sehr schnelle (extreme, katastrophal schnelle) Dynamik des Schmelzens von Eismassen.
Eisstauseen und ihre Sedimente
Es ist auch sehr interessant, wenn auch nur kurz die Entwicklung der Eisstauseen der Degradierungsphase zu betrachten. Die wichtigsten Merkmale der ehemaligen Existenz von Stauseen sind Brandungsterrassen, Seesedimente und Abflusskanäle der Seegewässer über die Wasserscheiden. In Bereichen vieler Täler der Region gibt es einige Brandungsterrassen, die mit der andauernd stabilen Lage des Seepegels verbunden war. Die Lage und die Höhe dieser Brandungsterrassen bestimmten die Höhen von Eisdämmen und Abflusskanälen. Auf den Hängen vieler großen intramontanen Becken beobachtet man mehrere Terrassenniveaus. Viele Faktoren haben für die Bildung dieser Terrassentreppen bestimmt und die wichtigsten unter ihnen sind der resultierende Zufluss des Wassers im Sommer, die Herbst-Winter-Stürme und die Höhe von Eisdämmen und Abflusskanälen. Den Höhenunterschied zwischen den Brandungsterrassen kann man nämlich als Ergebnis der portionsweisen Anhebung des Wasserspiegels der Seen durch den jährlichen (sommerlichen) Wasserzufluss betrachten. Den Berechnungen nach diesem Modell zufolge kann man behaupten, dass der Zufluss des Schmelzwassers in der Periode der Degradierungsphase mindestens 10 – 100 Mal größer war als der heutige Wasserabfluss, was auf eine sehr intensive Ablation hinweist.
Die limno-glazialen Sedimente sind als Kriterium für die Existenz der Seen und als Kennzeichen ihrer Dynamik, ihres hydrologischen und geochemischen Regimes, ihrer Chronometrie und Periodizität der Akkumulation sehr informativ. Besondere Aufmerksamkeit muss man auf die Probleme der Chronometrie der Seesedimente richten, was sehr wichtig für die Lösung von Aufgaben der paläogeographischen Rekonstruktionen ist. Auf diesem Gebiet erschienen neue Vorstellungen, die sich von traditionellen Vorstellungen unterscheiden. Die Bewertung der Mächtigkeit der jährlichen Schichten von 2 – 3 Millimeter, welche die meisten Forscher angaben (RUDOJ, 1981; u.a.), ist etwa 10 – 100 mal zu niedrig eingeschätzt und entspricht nicht der möglichen Realität von bekannten Geschwindigkeiten der Akkumulation in Stauseen und den Daten vom Trübungsgehalt in Gletscherschmelzgewässern. Außerdem widerspricht diese Bewertung dem geologischen Aufbau dieser bandschichtigen Seesedimente, die oft 4 Wechsel des Akkumulationsregimes äußern, oder den allgemeinen Vorstellungen über die Entstehung bandschichtiger Sedimente durch Trübungsströmungen und ihren Aufbau sowie den allgemeinen Kenntnissen über das hydrodynamische Regime der Seen im Jahreszyklus. Zu früheren Bewertungen und Modellen passen die Daten über lithologische, mineralogische, geochemische Zusammensetzungen der limno-glazialen Sedimente auch nicht. Diese Daten wurden von mir statistisch verarbeitet und ließen das Modell von 4 Wechseln des Akkumulationsregimes im Jahreszyklus bestätigen. Sie ließen die Bedeutung der Prozesse der hydraulischen und hydrodynamischen Differenzierung der Sedimente bewerten sowie das Regime der sommerlichen und winterlichen Stratifikation der Gewässer und die geochemischen Besonderheiten der Sedimentschichten feststellen. Meine Daten zeigen, dass die Mächtigkeit der jährlichen Bandschichten im Altai gewöhnlich zwischen 2 cm und 50 cm ist (Abb. 3).
Die Bildungsdauer der Akkumulation wäre oft richtiger durch die bekannten gemessenen Geschwindigkeiten der Akkumulation limno-glazialer Sedimente oder durch die Zählung der echten jährlichen Schichten (4-schichtiger Rhythmus) zu bestimmen, wenn sie erkennbar sind. Z. B. im Tschuja Becken (Aufschluss Tschagan) enthalten jetzt existierende limnoglaziale Sedimente etwa 150 jährliche Schichten, im ehemaligen Tusharsee – 180 – 200 Schichten, im Rachomystysee – 80 – 90 usw. Die Mächtigkeit dieser Sedimente erreicht dabei 15 – 50 m. Früher wurde angenommen, dass sich diese Sedimente im Laufe von 10-40 tausend Jahren akkumulieren mussten. Aber meine Daten zeigen, dass die gesamte Dauer der „Seeperiode“ im Altai für die Phase der Hauptdegradation nicht mehr als 500-800 Jahre betrug. Das bestätigte auch die Radiokarbonmethode. Die C14-Daten haben den Wert zwischen 16 – 15 tausend Jahren. Dies entspricht dem Modell der sehr schnellen Degradierung der Vergletscherung ganz gut.
Der statistische Vergleich der litho-chemischen Eigenschaften von limno-glazialen und See Sedimente des Interglazials (Aufschluss Bele) hat gezeigt, dass die limno-glazialen Schichten mehr Karbonate und andere Salze enthalten und lithologisch kontrastreicher sind. Das bestätigt auch, dass die Umweltbedingungen damals viel extremer waren als heute, dass die Erwärmung der Seegewässer und ihre Stratifikation auch stärker waren. Dafür sind ein mächtiger Wärmezufluss und kräftige jahreszeitliche Veränderungen notwendig.
Für die Existenz der Stauseen sind die Abflusskanäle der Seegewässer auch sehr informativ. Wenn es im Georelief und in den Sedimenten deutliche und unterschiedliche Spuren der Abflüsse über die Wasserscheiden (Sattel) gibt, so kann man die Dynamik dieser Abflüsse bewerten. Eine solche Analyse wurde von mir für den Paläo-See Tushar durchgeführt, in dessen Sandsedimenten sehr deutlich Riffeltexturen geäußert sind, die gewöhnlich bei einer Geschwindigkeit des Wassers von etwa 0,2 – 0,3 m/s entstehen. Diese Riffeln befinden sich in der Nähe der Abflusskanäle und orientieren sich in Richtung zu den Kanälen, gegen das Talgefälle (BUTWILOWSKI, 1986, u.a.). Die Berechnungen zeigen, dass der Wasserabfluss aus dem See periodisch bis zu 100000 m³/s erreicht hat. Ein solcher Abfluss konnte nur bei einer ungewöhnlich starken Ablation und Regenfall entstehen.
Die gesammelten Angaben lassen sich also zu einem paläoglaziologischen Schema zusammenstellen (Abb. 2). Einzelne Seen, z. B. Tushar-, Dsazator-, Rerichs-, Kuraiski-Tschujski-See besaßen eine Tiefe von 300 bis 600 m und nahmen Flächen von 200 bis 3000 km² bei Wasservolumina zwischen 20 und 1500 km³ ein. Es sind 5 Typen der Entwicklungsverfahren der Stauseen festgestellt und die Einwirkung der Seen auf klimatische und seismisch-tektonische Bedingungen der Umwelt bewertet worden. Diese Einwirkung konnte extrem stark sein. Die Entwicklung der Stauseen, den rekonstruierten Situationen entsprechend, erforderte für die Möglichkeit ihrer Realisierung eine extrem mächtige, ungewöhnliche Einwirkung der Umwelt. Dabei reagierten die Stauseen auf diese Einwirkung auch mit katastrophalen Änderungen ihrer eigenen Entwicklung, und diese Änderungen wurden regional verbreitet.
Katastrophale Durchbrüche der Stauseen und ihre Dynamik
Besonders hervorzuhebende Reaktionen dieser Stauseen auf drastische Umweltveränderungen sind ihre katastrophalen Durchbrüche des Wassers und die Entstehung der katastrophalen Ströme, die die Entwicklung der Seen beendeten oder ihre Entwicklung verkomplizierten.
Diese Idee ist nicht neu. Schon im 18. Jahrhundert hatte der deutsche Forscher Johannes SULZER die Idee über katastrophale Ausbrüche von Gebirgsseen aufgeworfen. Diese Hypothese erklärte das Vorhandensein von großen Anhäufungen klastischen Materials und großer Blöcke auf den Ebenen ohne die Sintflut. Aber die Idee von SULZER wollten seine Zeitgenossen nicht wahrhaben (CAROZZI, CAROZZI, 1987). Als ein neues qualitatives Niveau innerhalb geologischer Prozesse ist diese Hypothese erstmals in den USA von D. PARDEE im Jahre 1910 vorgeschlagen und begründet worden. Danach wurde sie von D. BRETZ (1924, 1949), V. BAKER (1973) und anderen Forschern weiterentwickelt. Es ist zu betonen, dass die Hypothese besagt, dass es sich um keine „gewöhnlichen“ extremen Naturerscheinungen und Spuren im Relief handelt, sondern um solche höheren Ranges mit ganz spezifischen und riesigen Folgen für die Reliefbildung, die früher auf vergleichsweise langandauernde glaziale und fluviale Prozesse zurückgeführt worden waren.
Das Paradigma über den sprunghaften Ablauf geologischer Prozesse („Neokatastrophismus“) eroberte in den 70 Jahren in der Geologie eine feste Position, die „als moderne geologische Revolution bezeichnet wird…“ (Katastrofy.., 1986, S. 5). Aber in der Geomorphologie und in der Quartärgeologie – hier besonders im regionalen Bereich und in paläogeographischen Rekonstruktionen – wird es noch wenig verwendet. Als Lehre eröffnet der Katastrophismus eine neue Möglichkeit für die richtige Erklärung zahlreicher geologischer Prozesse und gewinnt seine Bedeutung im Aktualismus-Prinzip und auch in der Anwendung neuer nicht aktualistischer Modelle, die aus der Analyse geologischer Materialien entstehen. In meinem Verständnis ist die geologische Katastrophe ein Komplex von Prozessen, die zur blitzschnellen Zerstörung eines Objekts (System) und seiner Entwicklungsverfahren führen, und jeder Prozess kann sich sowohl katastrophal für einige Objekte als auch normal für relativ größere Objekte auswirken. Je größer das Objekt oder Natursystem ist, desto mächtiger müssen die Einwirkungen und Änderungen sein, um eine Katastrophe für dieses Objekt oder System darzustellen.
Die Frage, wie die Eisstauseen verschwanden, bestand auch im Altai. L.N. IWANOWSKIJ (1967, 1981) vermutete die Möglichkeit katastrophaler Dammbrüche der Eisstauseen, aber er hat diese Vermutung nicht belegt. Die meisten Forscher vertreten die Meinung, dass die Stauseen langsam und partiell verlandeten (auch A.N.RUDOJ, 1981). Während der Arbeit im Altai gelang es mir, die realen Spuren von katastrophalen Strömen der Seeausbrüche festzustellen und die Realität gewaltiger Naturkatastrophen nachzuweisen (BUTWILOWSKI, 1982, 1993). Neue Vorstellungen entwickelten sich als Folge der umfangreichen und ungewöhnlichen geologischen und geomorphologischen Daten, die im Laufe der geomorphologischen Kartierung gewonnen wurden (BUTWILOWSKI, 1982, 1993; RUDOJ, 1984, 1996; u.a.). Ich schlage vor, dass man unter dem Begriff „katastrophale Ströme“ solche verstehen muss, deren Dynamik und reliefbildende Tätigkeit ein besonderes Spezifikum haben. Sie unterscheiden sich drastisch von „gewöhnlichen“ Flussströmen durch ein neues energetisches Niveau der hydrologischen und geologischen Prozesse. Die heutigen Flüsse können nur Sandmaterial in allen Arten und Weisen (Formen) transportieren, wohingegen katastrophale Ströme grobkörnige Gerölle und Steinblöcke genauso wie „gewöhnliche“ Flüsse die Sandteilchen verlagern, d.h. mit Sohltransport und Trübe, in Saltation, Schleppen und Rollen. Dabei müssen die katastrophalen Ströme riesige, von Blöcken und Rollsteinen geprägte Landformen bilden, die in ihrer Form Kopien von kleinen rezenten Nanoformen sind. Die Tiefe der katastrophalen Ströme muss dabei mehr als 15 – 20 m und ihre Geschwindigkeit muss mehr als 10 m/s sein.
Für die Bestätigung der katastrophalen Durchbrüche von Stauseen und der Existenz katastrophaler Ströme verwende ich: 1. die heutigen und historischen Analogien, die die Mikrokopien der Ereignisse sind und eine Reihe ähnlicher Ausprägungen der Dynamik, Erosion und Akkumulation haben; 2. eine Bestätigung des Auftretens katastrophaler Ströme nach anderen unabhängigen Anzeichen (rekonstruierter Abfluss, Spuren des schnellen Verlandens) (BUTWILOWSKI, 1986); 3. das Spezifikum der ungewöhnlichen fluviatilen Morphokomplexe und Sedimente. Widmen wir uns ein bisschen ausführlicher dem dritten Punkt.
Der Komplex der beobachteten und erforschten fluvialen Reliefformen im Bereich der Wirkung von Strömen katastrophaler Seeausbrüche wird in zwei Gruppen eingeteilt. Das sind die „ungewöhnlichen“ Morphokomplexe (katastrophogene fluviale Landformen [KF]), für deren Entstehung spezifische Bedingungen notwendig sind, und die Morphokomplexe, die unter den Bedingungen gewöhnlicher Flüsse entstehen, z. B. erosive und sedimentative Terrassen, vom Lockermaterial entblößte abgewaschene Felsen der Talhänge und die perluvialen grobsteinigen Sammlungen. Aus den Morphokomplexen der ersten Gruppe sind die folgenden besonders interessant: Gigantriffeln, Schollenschleppen, Gigantwälle, Schattenterrassen (Abb. 4), die Schollenansammlungen und der in anstehendem Fels ausgeprägte sogenannte „Skeblend“, zu dem die Wasserwirbelkessel, „trockene“ Wasserfälle mit tiefen Kesseln daneben und erosive Schluchten mit tiefen Kesseln.
Es ist zu betonen, dass die KF-Landformen im Meso- und Mikrorelief Komplexe bilden und gesetzmäßig hinsichtlich Lage und Querschnitt verteilt sind. An den Seiten der breiten, flachen Täler gibt es gewöhnlich Gigantwälle, Schattenterrassen, ausgewaschene Felsen, und auf den Talböden befinden sich Schollenschleppen, Gigantriffeln und Terrassen des Erlöschens der katastrophalen Ströme. In schmalen, gewundenen Schluchten sieht man im Skeblend erosive Kessel, Gigantwälle, Gigantlandzungen, Wasserwirbelkessel, kiesig-steinige und sandige Deckschichten des Erlöschens der katastrophalen Ströme. Alle diesen Morphokomplexe sind in zahlreichen Tälern der Region weit verbreitet und von mir kartiert (Abb. 2). Dies weist auf eine regionale Verbreitung der katastrophalen Ströme hin, die schließlich auf der Ebene Südsibiriens ausgelaufen sind.
Aus der Analyse geologischer Daten folgt, dass viele Eisstauseen nur einmal ausgebrochen und danach verschwunden sind. Die großen Seen, die in intramontanen Becken von dynamischen Gletschern aufgestaut wurden, sind nach den stratigraphischen Befunden nicht weniger als 5 – 7 Mal ausgebrochen und danach wieder neu entstanden (BUTWILOWSKI, 1993). Meine hydrologischen Rechnungen liefern, beruhend auf empirischen Formeln und Angaben über Niveaus, Neigungen und das dynamische Regime der katastrophalen Ströme, die folgenden Ergebnisse. Es ergeben sich maximale Geschwindigkeiten der katastrophalen Ströme von bis zu 20 – 50 m/s, Abflussmengen zwischen 1 und 20 Mio. m³/s bei einer Tiefe der Ströme von 50 bis 400 m. Diese Zahlen kann man nicht als Exakten bezeichnen, trotzdem sind sie ziemlich realistisch und beeindruckend.
Der spekulative Verlauf der katastrophalen Ströme im Altai entsprechend geologischen und geomorphologischen Daten sieht folgendermaßen aus. Nach einer seismischen Zerstörung der Eis-Dämme, die aus geologischen Angaben sicher rekonstruiert werden kann, muss ein blitzschneller Durchbruch und freier Abfluss der Seen stattgefunden haben. Dabei entstand eine Frontwelle, die aus einer Mischung von Wasser, Eis, Trübe und Steinen bestand und eine Höhe bis zur halben Seetiefe hatte. Ihre maximale Geschwindigkeit konnte etwa 40 – 70 m/s betragen haben. Die möglichen geophysikalischen Effekte, die als Nebenwirkung dieser Welle auftraten, sind ein gewaltiger Donner, das Hinausschleudern großer Schollensteine, eine Erhitzung und elektrische Aufladung der sich bewegenden Massen, eine mächtige Schlagwelle in der Luft vor der Wasserwelle, Detonationen der eingeschlossenen Luftmassen auf stark gekrümmten Talabschnitten, eine partielle Bewegung der Vorderwelle auf Luftkissen usw. Einige der oben genannten Erscheinungen haben ihre Mikroanalogien in heutigen Muren-Strömen (WINOGRADOW, 1980).
Nach dem Passieren der Frontwelle begann der freie Abfluss des Sees und sein hydrodynamisches Regime, das den Strömungen gewöhnlicher Flüsse ähnelt, was die gebildeten KF-Morphokomplexe bestätigen. Die Situationen im Becken der Flüsse Tschuja und Katun verdeutlichen uns am besten die Auswirkungen der katastrophalen Ströme. Die Spuren der mächtigen Bewegungen der Wassermassen der Seen begegnen uns schon im Randbereich des Kurajski-Tschujski-Sees, dessen absolute Höhe des Wasserspiegels im Moment des Durchbruchs mehr als 2200 Meter und dessen Volumen mehr als 1500 km³ betrug (Abb. 2). Bereits vor dem Ausgang aus dem Tschujski-Becken entstand ein mächtiger Wasserwirbel mit horizontaler Rotationsachse, der hier Gigantriffeln und Skeblend gebildet hat (Abb. 5). Stromab, im Tschujatal zwischen dem Tschujski- und Kurajski-Becken hatte der Strom bereits die Dynamik, die für die Bildung der Schollenschleppen, Gigantwälle, Skeblend und Schattenterrassen reichte. Am Eingang in das Kurajski-Becken ist die Strömung stark abgeschwächt worden und hier akkumulierten sich Kieswälle und Schleppen an den Seiten des Beckens und Schollenschleppen mit Steinblöcken von bis zu 6 – 8 m auf dem Beckenboden. Im Zentrum und westlichen Teil des Beckens baute sich ein riesiger Wasserwirbel mit vertikaler Achse auf. Das wird mit der hydraulischen Situation, der Orientierung, der Verteilung und den Typen der KF-Formen begründet (BUTWILOWSKI, 1993). Der Wasserwirbel drehte sich gegen den Uhrzeigersinn und hatte einen Durchmesser von etwa 20 km.
Beim Austritt aus dem westlichen Teil des Kurajski-Beckens verstärkte sich die Strömungsdynamik wieder, und der Strom verzweigte sich in zwei Schluchten. Die mächtigen Erosionsspuren sind hier nicht nur in den Schluchten, sondern auch auf den Bergspornen und Wasserscheiden des Beckens stark geäußert worden. Es tritt Skeblend mit Abschnitten von Gigantriffeln, Schollenschleppen und Gigantwällen auf. Die Erosionsspuren erreichen eine absolute Höhe von 2000 Metern. Unterhalb des Dorfes Tschibit ergoss sich der Strom wie ein mächtiger Strahl in den tiefen Canyon des Flusses Tschuja, wobei die Stromtiefe 350 – 400 m erreichte. Seine Geschwindigkeit betrug etwa 30 – 45 m/s. Sein Erosionseinschnitt erreichte hier im Felsengestein Tiefen bis 100 – 120 m. Unterhalb des Dorfes Belyi Bom ist das Mesorelief des Tschuja-Tals kompliziert, wodurch die Strömungsdynamik etwas abgesunken ist. An den Seiten der Täler wurden Gigantwälle und Schattenterrassen akkumuliert. In den Talböden lagerten sich Schollenschleppen ab und auf den Hängen wurde lokal Skeblend aufgebaut. An der Mündung ins Katuntal senkte sich das Stromniveau, weil von diesem Abschnitt teilweise an die großen Nebenflüssen Wasser abgegeben wurde. Allein ins Katuntal flossen mehr als 30 – 40 km³ Wasser. Einen solchen Charakter hatte der Strom bis zur Siedlung Majma in den Vorbergen, wo sein Niveau wiederum stark absank und seine maximale Tiefe nur noch 120-180 m erreichte.
Unterhalb von Majma begann der Strom sich in die Breite durch die Vorbergszone auszudehnen. Er bildete auf der angrenzenden Ebene einen riesigen Schwemmkegel mit einer Breite von 30 km und einer Länge von 45 km. Dieser Kegel ist aus Kiesschichten mit Schollen und geröll-kiesig-sandigen Sedimenten aufgebaut. Es bildeten sich Gigantriffeln und kiessandigen Landzungen. Die Höhen der Gigantriffeln schwanken zwischen 3 und 6 m, die Breiten zwischen 150 und 300 m und die Längen zwischen 500 und 2000 m. Das Ausmaß der Landzungen ist riesig. Sie sind in Wällen gruppiert, welche eine Länge von 20 – 30 km und eine Breite von 2 – 6 km erreichen. Das Stromniveau beim Dorf Srostki lag bei 290 – 300 m absoluter Höhe, die maximale Tiefe bei 85 – 90 m, die maximale Geschwindigkeit betrug 10 – 12 m/s. Im Ob-Tal hat sich der Strom über die gesamte Talbreite ergossen und ergab eine mäanderförmige Kontur mit einer Breite von 50 – 70 km. Der Hauptabfluss erfolgte durch die Kulunda-Ebene und weiter ins Irtysch-Tal (Abb. 2). Gleichzeitig hat er die Seitenarme (Alejskaja, Kasmalinskaja, Barnaulskaja, Burlinskaja) durch Einschnitte in Priobski-Plateaus gebildet. Das Stromniveau betrug hier 280 – 270 m absoluter Höhe und sank bis Kamen-na-Obi auf 200 – 180 m. Die maximale Fließgeschwindigkeit betrug noch 2 – 5 m/s, und Steinschollen, die hier auf der Lößdecke liegen, schmolzen aus den Eisblöcken aus, die mit den katastrophalen Strömen schwimmend verlagert wurden. Der kleinste Teil des Wassers floss im Ob in Richtung Nowosibirsk, Tomsk, Kolpaschewo und mündete in den Mansijski-Stausee.
Stratigrafischen Daten aus der Westsibirischen Ebene und aus dem Altaigebirge lassen Aussagen über das geologische und absolute Alter der KF-Sedimente zu. Die KF-Sedimente selbst enthalten organische Reste, die sehr stark ihr Alter verfälschen, weil diese Reste von anderen älteren Sedimenten stammen und in den KF-Sedimenten durch die Erosion und Akkumulation eingeschlossen wurden. Die KF-Sedimente sind stellenweise von limnischen und fluvialen Sedimenten des Spätglazials überdeckt. Unter den KF-Sedimenten liegen fluvioglaziale Sedimente und Löß des Spätpleistozäns, die durch die Radiokarbon-Methode datiert sind. Der Radiokarbondatierung (PANYTSCHEW, 1979) zufolge bewegt sich das Alter der KF-Sedimente zwischen 17,5 und 14,9 tausend Jahren. Ihr Alter entspricht ungefähr dem Alter der Eisstauseen.
Die reliefbildende erosive und akkumulative Tätigkeit der katastrophalen Ströme der letzten Eiszeit ist kolossal und wirkte geologisch blitzschnell. Aus den Seevolumina, den Strömungsgeschwindigkeiten und den Abflussmengen schätze ich die Dauer der katastrophalen Ströme von einigen Stunden bis zu 3 – 5 Tagen. Das Volumen der Erosion der festen Gesteine vom Grund und den Hängen der Flusstäler des Katun und der Tschuja wird von mir auf etwa 9 – 10 km³ eingeschätzt. Das Akkumulationsvolumen beträgt hier insgesamt etwa 20 km³. Auf der Westsibirischen Ebene lagerten die katastrophalen Ströme mehr als 70 – 75 km³ Lockermaterial ab.
Extreme Erdbeben, Bergstürze und Rutschungen
Aber nicht nur die katastrophalen Ströme wirkten im Altai in der Periode des rasanten Abbaus der letzten Vergletscherung. Es gibt auch Daten über eine drastische Zunahme der Aktivität tektonischer und hydrothermaler Prozesse zu dieser Zeit. Tektonische Bewegungen und Deformationen mit Amplituden von Dutzenden Metern äußern sich hier als Aufschiebungen von paläozoischen und känozoischen Gesteinen auf die Sedimente der letzten Eiszeit. Außerdem sind hier junge Verschiebungen, Erdrutsche, seismo-tektonische Störungen in den limno-glazialen Sedimenten, Deformationen der Brandungsterrassen und seismo-tektonische Bergstürze belegt. Nahe dem Ort Kuechtanar wurden z. B. die Gesteine des Paläogens auf die Sedimente der katastrophalen Ströme aufgeschoben und mit den nichtdeformierten Grundmoränen von einer späteren Oszillation des Gletschers überdeckt (Abb. 6). Das geschah in einer sehr kurzen Phase zwischen dem Ausbruch des Sees und seiner neuen Aufstauung. Die Aktivierung hydrothermaler Prozesse äußerte sich in der Bildung von Travertinen, Thermokarst, Kalzit-Adern, suffosionen Nischen und in der Bildung quecksilberhaltiger Schichten in den limno-glazialen Sedimenten sowie der karbonathaltigen Mineralisierung der Moränen. Letztere wurde mit der Radiokarbonmethode datiert (22 – 10 tausend Jahre). Bei der Verstärkung dieser Prozesse spielten isostatische Destabilisierungen aufgrund der zurückgehenden Eisdeckenbelastung und Austrocknungs-Neufüllungs-Vorgänge der großen Seen eine sehr große Rolle.
Diese Daten begründen sicher die Vorstellungen über die katastrophal mächtige, blitzschnelle tektonische Aktivierung zur Zeit der Degradierungsphase der Vergletscherung. Diese Aktivierung hatte eine regionale Verbreitung und hat wesentliche Veränderungen im Mikrorelief durch Prozesse, die den heutigen Bedingungen dieser Region überhaupt nicht zu Eigen sind, hervorgerufen.
Es ist interessant, die Charakteristik der Bergrutsche und Bergstürze der Degradierungsphase, die Bedingungen ihrer Bildung und der diese Ereignisse begleitenden Erscheinungen vorzustellen. Diese Morphokomplexe befinden sich meistens im Bereich der letzen Vergletscherung. Dies betont eine wichtige Rolle der Vergletscherung bei der Entstehung der Bergstürze. Ihr Aufbau und Morphologie sind bereits im Kapitel 4.5 sowie in meiner Monographie und im geologischen Abschlußbericht kurz beschrieben (BUTWILOWSKI, 1993; BUTWILOWSKI u.a., 1996) (Abb. 2). Einige Bergstürze schufen auch Stauseen. Diese Seen wurden in ihrer Endphase der Entwicklung mit Sedimenten völlig angefüllt oder katastrophal durchbrochen. Ein besonderes Problem ist das Zusammenwirken der Seen und Bergstürze. Das Fallen der Bergsturzmassen in die Seen schuf riesige Schlagwasserwellen mit einer relativen Höhe bis zu 400 m, deren Spuren im Umkreis des Telezker Sees entdeckt wurden. Es treten hier Brandungsterrassen mit einem ungewöhnlich großen Ausmaß und Turbidit-Sedimente auf (BUTWILOWSKI, BUTWILOWSKAJA, 1991).
Zahlreich waren auch die Erdrutschungen des Lockermaterials. Dabei wurden stellenweise glaziale, limno-glaziale und andere Sedimente vermischt, sogenannte „Pseudomoränen“ entstanden, die eine große Fläche einnehmen und den ursprünglichen Aufbau der Sedimente zerstörten oder verkomplizierten. Diese gravitativen Erscheinungen entstanden später als primäre katastrophale Ereignisse (Durchbrüche der Seen, Erdbeben usw.) und wurden vom Schmelzen der Permafrostböden, starken Seismizität, Erosion usw. verursacht.
Paläogeographische Erscheinungen in nicht vergletscherten Mittelgebirgen des Altai
Es ist auch sehr interessant zu ermitteln, was im Altai in nicht vergletscherten Gebieten in der Eiszeit geschah. Die geologischen Daten deuten hier auf eine Verstärkung der denudativen und akkumulativen Prozesse, auf eine Zunahme der Feuchtigkeit und auf einen Temperaturrückgang sowie auf die Bildung kleiner Gletscher hin. Zum Maximum der Eiszeit haben sich hier mächtige Frostböden, Kurumen (Steinflächen), Eistäler und in hoch liegenden Bereichen der Mittelgebirge eine embryonale Vergletscherung gebildet. Danach geschah eine drastische Veränderung der Umweltbedingungen (die Hauptphase der Degradation der Vergletscherung). Die Lößanhäufung gehört hauptsächlich zu dieser Zeit. Später bildeten sich hier die fluvialen Sedimente des Spätglazials und es aktivierten sich wieder die gravitativen Denudationsprozesse. Die Sedimente der Anfangs- und Maximum-Periode der Eiszeit enthalten eine kleine Beimischung von vulkanischer Asche und unterscheidet sich damit von Sedimenten der Degradationsphase. Dieser Unterschied ist auch den paläomagnetischen Eigenschaften der Sedimente zu Eigen. Sie äußern eine stärkere Spannung des geomagnetischen Feldes zum Maximum und ihre Abschwächung in der Degradationsphase.
Die Änderungen der palinologischen Komplexe und Fossilien der Muschelfauna in den Sedimenten weisen auf eine kalt-humide Situation bis zum Maximum der Eiszeit hin. Danach weisen die paläoontologischen Daten darauf hin, dass ein drastischer Übergang in einen extraariden Zustand stattfand und noch später eine langsame Mäßigung und Verbesserung der Klimabedingungen begann. In die Periode der Lößanhäufung und der Gletscherablation fällt die Zerstörung der biogenen Ökosysteme. Die Böden wurden vom Löß (bis zu 4 – 6 m) begraben, die Vegetation starb aus oder wurde stark reduziert, die Gletscher und Seen hinterließen große kahle Flächen, die katastrophalen Ströme haben ebenso große Flächen verwüstet und dabei Tiere und Pflanzen vernichtet [es gibt Reste von Fossilien (Mammut) in KF-Sedimenten, vom Kies und Sand begrabene Wälder (vertikal stehende Baumstämme bis 20 m hoch) im Ob-Tal (PANYTSCHEW, 1979) usw.]. Diese Prozesse wurden vom heißen und extrakontinentalen Klima verstärkt. Jedenfalls enthalten die Sedimente dieser Zeit fast keine Pollen, Samen, Fossilien außer Verlagerungen aus den älteren Sedimenten. Die Daten aus den nicht vergletscherten Gebieten passen also auch gut zum Modell der katastrophalen Veränderungen der Naturbedingungen in der Eiszeit.
Nach dieser ganzen Reihe von katastrophalen Ereignissen begann das sogenannte Spätglazial. Es ist sehr wichtig zu ermitteln, welche Folgen diese katastrophalen Erscheinungen hatten und wie sich die Natur wieder regeneriert hat. Die geologischen Daten zeugen von einer mehrmaligen Änderung der Naturbedingungen im Laufe von etwa 3 – 5 tausend Jahren. Es fanden einige Anstiege und Absinken der Temperatur statt, die viel schwächer als die primäre katastrophale Änderung waren. Die geologischen Prozesse äußerten sich in der Art der Oszillationen des Abflusses, der Gletscher, der Durchbrüche der kleinen Seen, der Erdrutsche und Bergstürze, aber sie waren nicht so stark und extrem wie früher.
Palinologische Daten von Aufschlüssen der fluvialen und limnischen Sedimente dieser Zeit zeugen von einer primären Pflanzenbesiedlung der vom Eis befreiten und vom Löß verwüsteten Bereiche. Damals herrschten Wiesenlandschaften mit vielen kleinen Nadel- und Laubwäldern und kleinen Seen vor. Die Böden waren schwach entwickelt, was die Entwicklung der Pflanzen, die fruchtbare Böden brauchen, erschwerte. Viele Arten der Flora waren „Pioniere“, Explerente und Patiente. Heute sind sie oft Unkräuter. Es gab damals hier auch die „wärmeliebenden“ Pflanzen. Unsere Angaben zeigen, dass die Pflanzenbesiedlung der freien Territorien schnell geschehen war (in einigen hunderten Jahren), aber die Entwicklung der Flora wurde vom Absinken der Temperatur noch in Sukzessionsstadien gezügelt. Diese Sukzessionsstadien können unter solchen Bedingungen viele hundert Jahre dauern (TISCHKOWA, 1986).
Besondere Bedeutung für die paläogeographischen Rekonstruktionen der Region hat das Problem des Refugiums der „Tertiär-Flora“ (die Tertiär-Pflanzen wachsen im Altaigebirge bis heute im Bereich der spätpleistozänen Vergletscherung). Dieses Problem hatte keine befriedige Lösung und schränkte die Möglichkeiten anderer paläogeographischer Rekonstruktionen, z. B. der Vergletscherung ein. Als Kompromiss für die existierenden Vorstellungen wurde von mir eine neue Lösung dieses Problems vorgeschlagen (BUTWILOWSKI, 1992). Es ist möglich, eine „Auferstehung“ von alten Samen und Sporen, die in alten gefrorenen Sedimenten im anabiotischen Zustand enthalten sind, anzuerkennen, Samen, die durch die Erosion dieser Sedimente sehr schnell in günstige Gebiete (z. B. Bereich um den Telezker See herum) übertragen wurden und dort zu wachsen begannen. Die gegenwärtigen Vorstellungen über die Anabiose (USCHATINSKAJA, 1990), die Ergebnisse von biologischen Experimenten, die biogeographische Analyse und die geologischen Daten über die Genese und Entwicklung der Samenbanken in Tertiärsedimenten bestätigen diese Möglichkeit. Die paläogeographische Analyse ist auch für die Erklärung der Besonderheiten einiger faunischer Areale von Fischen, Schlangen, Fröschen, Muscheln sehr effektiv (BUTWILOWSKI, 1993).
Gegenwärtiges Interglazial (Holozän) im Altaigebirge
Zahlreiche und vielfältige geologische und geomorphologische Daten ließen mich neue Kenntnisse über die Holozän-Umweltbedingungen der Region gewinnen, die sich von früheren Vorstellungen unterscheiden, mannigfaltig und detailliert sind. Früher wurde angenommen, dass die Umweltbedingungen im Holozän hier fast ähnlich waren wie in der Gegenwart, die Klimaschwankungen nur kleine Amplituden hatten und eine relativ lange Erwärmung des Klimas, das sogenannte Klimaoptimum und thermische Maximum im mittleren Holozän, in der Periode zwischen 6 – 5 tausend Jahren vor heute (Atlantik) stattgefunden hat. Der Übergang von kalten und trockenen Umweltbedingungen des Spätglazials zu warmen interglazialen Umweltbedingungen des Holozäns war langsam und dauerte etwa 2 – 3 tausend Jahre. Diese hypothetischen Vorstellungen vertreten die meisten Forscher.
Unsere Daten zeigen jedoch, dass schon vor etwa 10 Tausend Jahren im Altai ein sehr drastischer Übergang zu warmen interglazialen Bedingungen (zum Holozän) stattgefunden hat. Entsprechend den zur Verfügung stehenden Datierungen dauerte dieser Übergang weniger als 2-3 hundert Jahre und ist vielleicht noch viel kürzer, weil in den Aufschlüssen die Grenze zwischen konkordanten (ich betone – konkordanten) Schichten des Spätglazials und des Holozäns sehr deutlich und scharf ist, und diese Grenze Sedimente mit sehr unterschiedlichen Merkmalen und Eigenschaften voneinander trennt. D. h., in wenigen Jahrzehnten sind die warmen interglazialen Umweltbedingungen überall im Altai eingetreten. Die Zusammensetzung der Sedimente und begrabenen Böden, die fossilen Pollen und Samen, Fauna von Mollusken und Ostrakoden zeigen, dass das ganze frühe Holozän (Präboreal, Boreal und Atlantik) eine Zeit des warmen und relativ trockenen Klimas war, wobei das thermische Maximum vor etwa 10 – 8 tausend Jahren (im Präboreal und teilweise im Boreal) stattgefunden hat. Danach, bis 4,5 Tausend Jahre vor heute, verliefen ein langsames und schwaches Absinken der Temperatur und eine deutliche Zunahme der Feuchtigkeit (Abb 7-a,b).
Zur Zeit des thermischen Maximums im Frühholozän stieg die Zone der maximalen Feuchtigkeit ins Hochgebirge, die Mittelgebirge waren stark ausgetrocknet. Die Landschaftsgürtel und die obere Grenze der Wälder stiegen um 300 – 400 m höher als heute, die Fläche der Permafrostböden verkleinerte sich um mindestes 2-3 Mal. Es erfolgte eine Abschwächung der Dynamik der Denudationsprozesse auf den Hängen; Die Spuren von echt extremen geologischen Ereignissen und einer intensiven seismischen Tätigkeit sind hier nicht ermittelt. Der Wasserstand der Flüsse und Seen sink und viele Seen im Mittelgebirge versalzten sogar. Sogar in Hochländern, auf absoluten Höhen bis 2000-2300 m wuchsen einige Wasserpflanzen, z.B. Potamogetone, Najas, Groenlandia, die man heute in Südeuropa, Zentralasien und Nordafrika treffen kann. Es war eine deutlich wärmere Zeit als in der Gegenwart. Die durchschnittlichen Sommertemperaturen konnten damals um +4 – +5° höher sein als in der Gegenwart. Die relativ extremen geologischen Prozesse verkleinerten drastisch ihre Amplituden, Frequenz und Bedeutung in der Akkumulation. Die Hauptrolle in der Georeliefentwicklung übernahmen die normalen, langsamen Prozesse und es lief die Entwicklung der Böden, die Anhäufung der Gyttjen, des Mergels, Tones und relativ kleinkörniger fluvialer Sedimente (Alluvium). Relativ extreme Prozesse lokalisierten sich im Hochgebirge, wo die Kontraste der geophysikalischen Eigenschaften der Umwelt immer groß sind.
Das Spätholozän ist die Zeit von vor 4,5 Tausend Jahren bis heute und ist gekennzeichnet durch mehrmalige relativ kleine Klimaschwankungen, die ähnlich dem heutigen Klima sind. Es kam zu drei relativ lang andauerndem und starkem Absinken und kleinen Erhöhungen der Temperatur. Die relativ extremen Vorgänge, die im Frühholozän schwach waren, verstärkten sich insbesondere in der Historischen Zeit (vor etwa 2 tausend Jahren), verbreiteten sich auch ins Mittelgebirge, gewannen eine regionale Bedeutung und werden den Rhythmen von Schnitnikow (etwa 1800-2000 Jahre) zugeordnet. Zur Zeit des Absinkens der Temperatur sank die Waldgrenze periodisch um 100-200 m niedriger als heute. Damals verstärkten sich die Seismizität, Spannung des geomagnetischen Feldes, Überschwemmungen der Flüsse, die Muren, verbreiteten sich die Permafrostböden, Gletscher, hob sich der Wasserspiegel der Seen, aktivierten sich äolische und gravitative Prozesse. Man muss auch das Vorhandensein einer kleinen Beimischung von vulkanischer Asche in spätholozänen Sedimenten betonen, die in frühholozänen Sedimenten nicht entdeckt wurde. Das Absinken der Temperatur wird um 1-3° für den Sommer und um 5-10° für den Winter bewertet. Die Spitzen der interstadialen Steigerung der Temperatur waren vielleicht etwas höher als heute. Viele Spuren der Naturereignisse wurden im Altai von uns datiert. Man muss die große Ähnlichkeit des Alters von datierten Spuren der geologischen und paläogeographischen Prozesse und ihre Synchronität betonen. Das zeigt, dass die Entwicklung des Georeliefs und der Landschaften von gleichen allgemeinen Ursachen abhängig sind. Offensichtlich sind viele geologische Ereignisse die Folgen der Änderungen von globalen äußeren Umwelt-Faktoren.
Die Änderungen der Umweltbedingungen äußern sich nicht nur in den Abfolgen der Sedimente, sondern auch in der Zusammensetzung von Pollen, Samen und Fauna, die sich in diesen Sedimenten erhielten. Die Änderungen der Zusammensetzung der fossilen Flora und Fauna bestätigen die Unterschiede der Umweltbedingungen im Früh- und Spätholozän deutlich. Das thermische Maximum des Holozäns findet seine deutliche Bestätigung in Pollenkomplexen aus Sedimenten, die sich in Bereichen der gegenwärtigen Steppen, Waldsteppen, Gebirgstaiga und Hochgebirgstundra befinden. Das bestätigen auch die Daten von der Samenflora und der Fauna der Ostrakoden. Die Floren des Frühholozäns und des Spätholozäns haben deutliche taxonomische und ökologische Unterschiede.
Schlussteil
Meine Schlussfolgerungen über den drastischen Übergang von glazialen zu interglazialen Bedingungen im Holozän, über das holozäne thermische Maximum im Präboreal und Boreal sowie über die relativ großen Unterschiede der Umweltbedingungen und geologischen Prozesse im frühen und späteren Holozän widersprechen traditionellen Vorstellungen über diesen geologischen Zeitabschnitt, deren Grundlagen in den 20-50-er Jahren dieses Jahrhunderts geschaffen wurden. Ich habe hier Daten präsentiert, die zu anderen Erkenntnissen über diese Zeitspanne führen, und möchte zusätzlich betonen, dass in den letzten 10-20 Jahren ähnliche Daten und ähnliche Erkenntnisse in vielen Regionen der Erde gewonnen wurde, z.B. in den USA, Kanada, Australien, Nord-Osten des Asiens, im arktischen Teil Russlands, Mongolei u.a.
Die Analyse der Daten aus anderen Regionen hat gezeigt, dass der Verlauf der paläogeographischen Änderungen und geologischen Prozesse im Altaigebirge im letzten glazial-interglazialen Zyklus gut mit den Vorgängen in den anderen Regionen korreliert, wo in der letzten Zeit auch die Überprüfung des Ausmaßes der Spätwurmvergletscherung begonnen wurde, und wo man auch viele Daten über die schnelle Entstehung und Zerstörung der Vergletscherung, über die Aktivität der Tektonik, hydrothermalen Tätigkeit, des Vulkanismus, über die Bergstürze, Rutsche, katastrophalen Abflüsse und Durchbrüche der Stauseen gewonnen hat. Zurzeit werden die Spuren der katastrophalen Ströme und anderer extremer Ereignisse in vielen anderen Bereichen der Erde entdeckt, darunter auch in anderen Regionen Russlands. Diese Prozesse waren ein globaler Faktor der Georeliefentwicklung im Laufe der alten Eiszeiten.
Die Verallgemeinerung der weltweiten Daten über den Verlauf der letzten Vereisung lassen die Aufstellung einer Modellhypothese des Entwicklungsmechanismus der Naturprozesse zu (BUTWILOWSKI, 1993). Entsprechend meinem Modell verlaufen die Naturprozesse folgendermaßen: äußere führende Faktoren begannen die Änderung der Umwelt zu feuchtem und kälterem Klima und verstärkten diesen Vorgang ziemlich lange. Dabei wuchs das Potential der Rückkopplungen. Dies führte zu einer riesigen Anhäufung der potentiellen Energie (z.B. in Art der Gletschermassen, Stauseen, tektonischen Belastung, des Vulkanismus, des Absinkens des Meeresspiegels usw.). Als die Wirkung der äußeren Triebfaktoren aufhörte, befreite sich diese ganze Energie und wirkt katastrophal schnell und mächtig auf die Umwelt und auf das Georelief. Der Zustand der Umwelt wechselt sich in umgekehrter Richtung zur drastischen Erwärmung. Danach folgten Serien abklingender Selbstschwingungen des Zustandes und die Umwelt kehrt zu ihrem gewöhnlichen Zustand zurück. Eine Analogie dieses Mechanismus kann das Modell „vom sog. nuklearen Winter und nuklearen Sommer“ sein, worüber in der letzten Zeit viel gesprochen wird und was heute gut begründet ist (Krudtzen, MOISEEW, 1987; u.a.).
Die wichtigsten Faktoren der Umweltänderung sind entsprechend geologischen Daten die tektonische Aktivität, der kontinentale und ozeanische Vulkanismus, Resonanz-Gezeiten, die Feuersbrünste, der Staubgehalt des Kosmos, die Geoid-Undulationen, die Aktivität der Ozeanzirkulation, die Verstärkung der Erdrotation und des geomagnetischen Feldes, die Veränderungen des Zustandes der Erdoberfläche und der Zusammensetzung und Verstaubung der Atmosphäre gewesen. Alle diesen Faktoren sind miteinander verbunden und können sich gegenseitig verstärken. Sie wurden von driftenden Veränderungen der astronomischen Bahnparameter der Erde und anderer Planeten angeregt, gerichtet, unterstützt und danach sehr schnell außer Kraft gesetzt. Letzteres geschah, als der Bahnparameter seinen Höhepunkt überschritt. Der hauptsächliche Treiber (Trigger) ist die Exzentrizität der Erdbahn (BUTWILOWSKI, 1993). Die Exzentrizität bestimmt die Größe der Veränderungen der Gravitationseinwirkung der Sonne und Planeten auf die Erde. Die Gravitationskraft übt den mächtigsten Einfluss auf geologische Prozesse aus. Deshalb korrelieren die hauptsächlichen Veränderungen der Umwelt mit der Periode der Veränderung der Exzentrizität. Zu diesem Modell passen viele geologische, geomorphologische, biologische und andere Daten.